Alle hielten den CEO für verrückt – bis die Zahlen kamen

Von Michael Nowarra

Wie ein CEO, der sich von zwei falschen Gewissheiten verabschiedet und mit einer scheinbar ehernen Geschäftsregel bricht, über eine halbe Millionen Kosten einspart, keinen Cent Umsatz einbüßt und seinem Partnervertrieb sogar noch einen immensen Wachstumsimpuls gibt.

Das Spiel

Wie jedes Jahr veranstaltete der Hersteller ein großes, dreitägiges Get-together von Partnervertrieb, Development, Product Management, Marketing und HR. Wie jedes Jahr war die Agenda vollgespickt mit Marketing-Initiativen, Product Briefings, HR-Ideen zum Talent Management, vor allem aber mit Themen des Partnervertriebs.

Doch diesmal passierte etwas außer der Reihe. Der CEO gesellte sich am Nachmittag des letzten Tages zusammen mit einem Überraschungsgast zu den Teilnehmern. Das Get-together sollte mit einem kleinen, spielerischen Wettbewerb enden: Alle Teilnehmer, gleichgültig ob erfahrener Senior Partner Manager, Partner Manager, Anfänger oder Quereinsteiger (die Mitarbeiter aus dem Marketing) sollten ohne große Vorbereitung innerhalb von 15 Minuten den CEO und seinen Überraschungsgast – beide spielten die Geschäftsführer eines imaginären, großen Partnerunternehmens – davon überzeugen, nachhaltig in die Partnerschaft zu investieren. Es ging dabei nur um das Grundmuster der Argumentation, nicht um Zahlen oder Details. Slides waren natürlich strengstens untersagt.

Das Ergebnis

Aus Sicht des CEO und seines Überraschungsgastes (ein befreundeter Management-Berater, der sich mit der Software-Industrie und dem Channel sehr gut auskannte) waren die Ergebnisse mehr als ernüchternd.

Zuerst lernte der CEO, dass Technologie im Partnergeschäft nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Erfolg von Hersteller und Partner darstellt. Sich von dieser lieb gewonnen, aber falschen Gewissheit zu verabschieden viel ihm als Software-Hersteller besonders schwer, denn Technologie, seine Produkte, waren seine Babys, der Kern seiner Identität als Technologie-Lieferant.

Die Top-Entscheider der Partner, lernte er weiterhin, sehen das naturgemäß etwas anders: Technologie muss funktionieren, aber letztlich entscheidend für eine Investition in eine Partnerschaft sind Business-Aspekte, wie Return on Investment, strategischer Fit, erzielbare Erfolge, Höhe der notwendigen Investitionen, Risiken und natürlich der Faktor Geschwindigkeit.

Keiner der Mitarbeiter hatte diesen Zusammenhang erkannt und adressiert. Wie es sich für Vertriebler gehört, hatten sie die Produkte verkauft, ihr Unternehmen in den Himmel gelobt, Functions & Features beschrieben und mit dem Wettbewerb verglichen und dann das Partnerprogramm erwähnt, das ab demnächst vier anstatt drei Stufen haben wird!

Die nächste Gewissheit, von der sich der CEO verabschieden musste, war die Vorstellung, dass seine Partner Manager ebenbürtige Gesprächspartner auf C-Level waren. Keiner war in der Lage, die Investitionsentscheidungen aktiv und positiv zu beeinflussen. Um ehrlich zu sein: Dieses Gefühl beschlich ihn schon während der Präsentationen. Sein Überraschungsgast gab ihm dann quasi nur noch den Rest.

Irrsinn – aber mit Methode

Und hier ist der Teil mit dem Wahnsinn:

Wenn alle Mitarbeiter, unabhängig davon, wie erfahren sie im Channel-Business waren, gleich schlecht in der Beeinflussung von Investitionsentscheidungen waren, blieben ihm zwei Möglichkeiten:

Möglichkeit 1:  Er lässt – wie alle anderen auch – die Ausbildung durch HR neu ausrichten und intensivieren.

Probleme: es wäre ein Politikum, besonders für die HR-Führung und die erfahrenen Mitarbeiter („Du machst deinen Job nicht gut!“), es würde schwierig werden, die offenen, vor allem aber die unterschwelligen, nicht sichtbaren Widerstände zu überwinden und letztlich würde es viel Zeit und Aufmerksamkeit seitens CEO und CFO kosten.

Möglichkeit 2: Er verzichtet auf Erfahrungen im Channel-Business und setzt konsequent auf Anfänger und Quereinsteiger.

  • Problem: er muss sie so schnell wie möglich C-Level-tauglich machen.
  • Vorteil: sie sind billiger, es gibt viele davon (auch im eigenen Unternehmen; also kein Fachkräftemangel mehr!) und sie sind inhaltlich „formbar“.

Sie werden es sicherlich schon wissen. Unser CEO hat mit der eisernen Regel „Erfahrung zählt bzw. ist unbezahlbar“ gebrochen und sich für die zweite Möglichkeit entschieden. Vor allem deshalb, weil sein Überraschungsgast ihn darauf aufmerksam machte, dass

  • alle Partnerschaftsentscheidungen auf C-Level nach fast identischem Muster ablaufen,
  • engagierte und intelligente Anfänger/Quereinsteiger mit einem intensiven Training-on-the-Job nicht länger als 2 Wochen benötigen, um dieses Muster souverän zu beherrschen und
  • der Content schnell und kostengünstig bereitgestellt werden kann.

Die Zahlen

Wie hat sich das eigentlich konkret in Zahlen ausgedrückt?

  • Einstellungen von 2 Senior-Partner Managern gestoppt: €360.000 TCE gespart
  • Einstellung von 3 Partner Managern gestoppt: €320.000 TCE gespart
  • Umschulung von 4 Mitarbeitern des Unternehmens zu Partner Business Consultants: €30.000 investiert

Über Freisetzungen wollte er (noch) nicht nachdenken. Aber es scheint nichts mehr so zu sein wie vorher. Er hat das Spiel verändert. Insider berichten, dass in der Zwischenzeit seine ganz Aufmerksamkeit dem Marketing gilt.

Über den Autor

Meine Vision ist der “Entfesselte Channel”: eine Channel-Organisation, die sich von selbstverordneten Wachstumsbeschränkungen, falschen Denkweisen und wenig wirksamen Handlungsmustern befreit – angestoßen und begleitet von CEOs, die entschlossen sind, als “Game Changer” sicht- und spürbare Akzente und ganz neue Maßstäbe hinsichtlich strategischem und operativem Umsatz- und Profitwachstum zu setzen.

Diese Vision kann für jeden Software-Hersteller schneller und einfacher Realität werden, denn sie beruht auf meinen in den vielen Projekten gewonnenen Erkenntnissen über das wahre Wesen des Channels, seine Strategic Assets, die entscheidenden Erfolgsfaktoren und die verschiedensten konkreten Stellschrauben für eine signifikante, nachhaltige Performance-Steigerung.

Sie können ihn unter michael@alliance-bliss.com erreichen.