Warum CEOs bei Channel-Themen manchmal auf Durchzug schalten sollten …
Von Michael Nowarra
… um stattdessen die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen.
Zugegeben, eine gewagte Empfehlung! Aber eine mit Relevanz, denn es geht darum, wie CEOs , für die Mittelmaß und „me-too“ ein Graus ist, ihre Channel-Organisation entfesseln, von selbst auferlegten Wachstumsbremsen befreien und bislang unentdeckte Wachstumspotenziale in ihrer Organisation aktivieren können, und damit trotz (oder gerade wegen?) schwieriger Zeiten neue Maßstäbe beim Wachstum von Umsatz und Profit zu setzen. Es geht auch darum, dass dies allein der CEO kann.
Und eine Empfehlung mit Substanz, denn sie ist nur die logische Schlussfolgerung der Betrachtung des Channels von außen bzw. aus der Perspektive eines CEO sowie der konsequenten Anwendung moderner Management-Erkenntnisse auf die Abteilung Partnervertrieb.
Der Entfesselung 1. Schritt: Auf Durchzug schalten
Wer kennt das als CEO nicht? Obwohl man selbst nicht direkt für den Channel zuständig ist, gibt es regelmäßig Meetings, Telefonate, Gespräche auf dem Flur, Memos, Konzepte, Emails, die alle mit dem Channel zu tun haben: mehr Budget, neue Kampagnen, mehr Mitarbeiter, mehr Marketing, größere Veranstaltungen, wettbewerbsfähige Produkte, Klagen über die Ignoranz bestimmter Partner, die Unmöglichkeit, überhaupt neue Partner zu gewinnen, Partner, die nicht genügend Engagement zeigen, Überarbeitung des Umsatz-Forcast und vieles mehr. Immer ist man irgendwie involviert.
Natürlich versucht man dann als gute Führungskraft zu helfen, Dinge zu ermöglichen, Budgets bereitzustellen, zu koordinieren, zu motivieren oder wenn nötig zu schlichten. Ist es aber generell gut, eine gute Führungskraft zu sein?
Manchmal nein! Manchmal ist es besser, bewusst zu ignorieren, auf Durchzug zu schalten. Hier mein Plädoyer für eine bewusste Verweigerung:
Immer mehr CEOs, Aufsichtsräte und Investoren schließen sich der Erkenntnis an, dass die Strategie in Zeiten von Unsicherheit, ökonomischen Schwankungen, technologischer Dynamik und intensiverem Wettbewerb von allergrößter Bedeutung für den Erfolg oder sogar das Überleben eines Unternehmens ist. Das gilt für die Unternehmensstrategie im Großen, aber auch für die Channel-Strategie im Kleinen.
Jede Ausgabe, jede Kampagne, jede Maßnahme als Teil einer schlechten oder sogar schädlichen Strategie ist eine mehr oder weniger große Fehlinvestition, eine Verschwendung von Ressourcen, Zeit, Chancen, Vertrauen.
Solange also nicht eindeutig geklärt ist, ob die Channel-Strategie eine gute oder schlechte/schädliche ist, kann man durchaus empfehlen, nichts zu tun, anstatt weitere Fehlinvestitionen zu tätigen. Sie kennen sicherlich die Redensart „gutes Geld nicht schlechtem Geld hinterherwerfen“.
Stattdessen sollte man als CEO auf Durchzug schalten, innehalten und sich auf die wesentliche Frage konzentrieren: Wie gut ist unsere Strategie tatsächlich – und ist es überhaupt eine Strategie?
Aber ist das eher eine abstrakte Frage oder tatsächlich ein konkretes Problem? Und wie kann man die Qualität der Strategie bewerten?
Der Entfesselung 2. Schritt: Der Strategy Check
Auch in Sachen Strategie setzen sich immer mehr neue, zeitgemäßere Konzepte durch. Während der „alte“ Strategiebegriff Strategie als Plan versteht (der in Zeiten von Unsicherheit, Dynamik und Volatilität naturgemäß nur eine kurze Lebenszeit hat), verstehen moderne Konzepte Strategie als Denkweise, die Richtlinie und Kriterien für Entscheidungen über Investitionen, Ausgaben und Maßnahmen liefert, die jeden Tag in jedem Bereich und auf jeder Ebene des Unternehmens getroffen bzw. umgesetzt werden.
Strategie hat die Aufgabe, gezielt Chancen (für Wachstum) zu schaffen, Wettbewerbsvorteile zu erlangen sowie Werte für das Unternehmen zu definieren (bspw. Strategic Assets) und aufzubauen.
Eine schlechte Strategie schafft das nur in begrenztem Umfang, eine schädliche Strategie erreicht das Gegenteil: Vernachlässigung von Wachstumschancen und Vernichtung von Werten und Ressourcen.
Wie sieht die Realität im Channel aus?
Nach mehr als 20 Jahren Channel-Arbeit auf strategischer und taktisch-operativer Arbeit ist mein Fazit ernüchternd. Hersteller verfolgen de facto ausnahmslos 2 Strategien:
- „Wie die anderen“ (oder Herding-Strategy): Die Art, wie das Channel-Business betrieben wird, ist, bis auf wenige aber unbedeutende kosmetische Unterschiede nahezu identisch. Das hat zur Folge, dass sich die Hersteller unweigerlich in einem Wettrüsten befinden. Viele empirische Studien belegen, dass Wettrüsten zu einer beträchtlichen, systematischen Vernichtung von Ressourcen und Werten führt. Der Wirkungsgrad von Maßnahmen sinkt nämlich immer mehr.
- „Regeln befolgen“: Wir sind schon seit unserer Kindheit sozialisiert, Regeln zu kennen und sie zu befolgen. Das ganze Bestreben – auch als Erwachsene und als CEO – besteht darin, so gut wie möglich nach den Regeln zu spielen. Doch wer diese Strategie blind, ohne sie zu hinterfragen lebt, beraubt sich des mächtigsten Instruments für Wachstum und Wettbewerbsvorteile: das gezielte Brechen von Regeln. Dass dies erfolgreich gelingen kann, beweisen Unternehmen, wie RTL (in den Anfangsjahren des privaten Fernsehens), RyanAir, Swatch oder Apple.
Um sich alternative Strategien – Differenzierung und Game Changing – vorstellen und dann entwickeln zu können, muss man die wahren Ursachen kennen.
Die Ursachen dafür sind nicht „technischer“ Natur, also wie man eine Strategie erarbeitet, sondern zwei falsche Gewissheiten oder Prämissen, auf denen alles fußt: (1) man kann das Channel-Business nur auf eine einzige Art betreiben und (2) die Regeln des Channel-Business können von einem einzelnen Unternehmen nicht verändert werden – schon gar nicht von einem kleinen Mittelständler!
Genau das Gegenteil ist der Fall: besonders mittelständische und kleine Unternehmen sind nämlich prädestiniert dafür, erfolgreich Regeln zu brechen! Und zu der Art, das Channel-Business zu betreiben, gibt es praxisbewährte Alternativen.
Auch wenn man sich (noch) nicht mit der „Kür“ des Regelbrechens befassen möchte, sollte man das Thema Verschwendung so bald als möglich angehen. Jeder Tag zählt, denn an jedem Tag kommt es zu kleinen und großen Verschwendungen. Worst-case sogar zur Schwächung der eigenen Position im Markt.
Der Entfesselung 3. Schritt: Ownership, Strategie-Entwicklung und -Überwachung
Auch wenn der Channel formal unter dem CSO, dem COO oder dem Vertriebsleiter hängt, ist allein der CEO in der Verantwortung:
- Die Unternehmensstrategie – und damit auch die Channel-Strategie – ist ureigenstes Aufgabengebiet des CEO.
- Nur der CEO ist in der Lage, ein strategisches Umdenken zu bewirken, die gewählte Strategie im Tagesgeschäft durchzusetzen und alle davor zu bewahren, wieder in alte Denk- und Handlungsmuster zurückzufallen.
- Jede Strategie – auch die des Channels – betrifft viele, wenn nicht alle Bereiche des Unternehmens. Es bedarf also einer übergeordneten Funktion.
Was könnte ein CEO konkret unternehmen? Drei pragmatische Vorschläge:
Erster Schritt: sich selbst mit den falschen Gewissheiten auseinandersetzen, andere Perspektiven einnehmen, andere Denkweisen aktiv in Betracht ziehen, Alternativen durchdenken. Quasi erst einmal „privat“.
Zweiter Schritt: einen Sense of Urgency im Unternehmen erzeugen (lassen) und unter seiner Federführung eine Strategie entwickeln, die die Anforderungen optimal erfüllt.
Dritter Schritt: ein Steering-Committee etablieren, das die Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie überwacht. Dieses Steering-Committee sollte aus dem CEO, dem CFO und der Leitung HR bestehen – nicht aus einem Vertreter des Vertriebs oder dem Channel-Chief. Gerade die gilt es ja zu steuern. Der Grund für gerade diesen Personenkreis: Erfolg = Strategie (CEO) + Finanzen (CFO) + geeignete Mitarbeiter (HR).
Über den Autor
Mit seiner über 25-jährigen Erfahrung als Consultant, persönlicher Sidekick und Program Manager für Vorstände/Geschäftsführer mittelständischer Software-Hersteller ist der Autor ein ausgewiesener Kenner des Channel Business auf strategisch-konzeptioneller und operativer Ebene.
In seiner Arbeit geht es immer um den „Entfesselten Channel“: eine Channel-Organisation, die sich von selbstverordneten Wachstumsbeschränkungen, falschen Denkweisen und wenig wirksamen Handlungsmustern befreit – angestoßen und begleitet von CEOs, die entschlossen sind, als „Game Changer“ sicht- und spürbare Akzente und ganz neue Maßstäbe hinsichtlich strategischem und operativem Umsatz- und Profitwachstum zu setzen.
Seine Arbeit beruht auf den in den vielen Projekten gewonnenen Erkenntnissen über das wahre Wesen des Channels und die verschiedensten Stellschrauben für eine signifikante, nachhaltige Performance-Steigerung.
Sie können ihn unter michael@alliance-bliss.com erreichen.