5 Beispiele, wie Game Changing zu deutlich mehr Umsatz und Einfluss führt

Von Michael Nowarra

Die Neuinterpretation von nur 2 Regeln bringt schnell und zuverlässig deutlich mehr Umsatz im Channel und wichtigen Einfluss im Unternehmen – und fördert ganz nebenbei die eigene Karriere.

Keiner wird bezweifeln, dass trotz der schwierigen Rahmenbedingungen für jeden Software-Hersteller beträchtliche Wachstumschancen im Channel bestehen. Das Problem sind die begrenzten Ressourcen. Welche Weichen können Channel-Verantwortliche stellen, um trotz Fachkräftemangel schnell, zuverlässig und nachhaltig ambitionierte Wachstumsziele zu erreichen. Dieser Beitrag zeigt 2 völlig vernachlässigte Instrumente und beschreibt anhand von 5 Beispielen aus der Channel-Praxis, wie mächtig sie eigentlich sind.

Das Partnerportfolio anders „lesen“

Fehleinschätzungen führen zu Fehlentscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen. Wenn man das Partnerportfolio falsch „liest“, konzentriert man seine EIGENEN Ressourcen (vordringlich Mitarbeiter) auf die falschen Partner und verschwendet nicht nur Ressourcen, sondern auch konkrete Umsatzchancen.

Üblicherweise wird das Partnerportfolio durch die „Umsatzbrille“ betrachtet: ABC-Listen, 80-20-Regel und einiges mehr.

Strategisch denkende Führungskräfte konzentrieren sich dagegen auf die Faktoren, die zu den Umsätzen führen: Die Investitionen eines Partners in die Partnerschaft. Denn mehr Investitionen bedeuten in der Regel auch mehr Umsatz. Das ist die bessere Grundlage für die zentralen Entscheidungen im Partnervertrieb.

  1. Frage: Welcher Partner KÖNNTE eigentlich die zur Erreichung eines vom Hersteller angestrebten Zielumsatzes notwendigen Investitionen leicht tätigen? Entscheidend: Unter für den Partner kaufmännisch vernünftigen Kriterien (RoI, Umsatzvolumen, strategischer Fit, weitere Erfolgsgrößen, Risiko, Investitionen/Kosten und Faktor Zeit).
  2. Frage: Warum gibt es Partner in Portfolio, die zwar die Investitionen tätigen könnten, es aber bisher nicht gemacht haben, also nicht WOLLTEN?

Diese Portfolio-Betrachtung basiert auf einer in der Praxis immer wieder bestätigten Erkenntnis: Partner, die KÖNNEN, aber (noch) nicht WOLLEN, sind viel einfacher und schneller von Investitionen zu überzeugen als Partner, die WOLLEN, aber nicht KÖNNEN. Letztere muss man erst teuer und aufwändig dazu in die Lage versetzen, bspw. durch Lead Generation seitens des Herstellers.

Welche konkreten, praktischen Konsequenzen hat diese Betrachtung für das „strategische“ Management des Partnervertriebs? Zentrale Überlegungen:

  • Auf welche Partner sollte man sich konzentrieren?
  • Was sollte man mit ihnen machen?

Anwendungsbeispiel 1: Kurzfristige Umsatzgenerierung

Falsch wäre die Fokussierung auf die Cash Cows. Diese Partner wissen, wie attraktiv die Partnerschaft für sie ist und werden von alleine – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – weiterhin investieren. Selbstredend wäre eine Konzentration auf Question Marks ebenso falsch (zumindest für die kurzfristige Umsatzgenerierung).

Richtig wäre die Fokussierung auf die Rising Stars. Hier sollten die Partner Manager gezielt die Top-Entscheider ansprechen und sie davon überzeugen, dass eine Mehrinvestition in Höhe von X finanziell lukrativ und kommerziell attraktiv ist. Beispielsweise durch individuelle Investitionspläne in Form von C-Level-angemessenen Entscheidungsvorlagen.

Normstrategien:

  • Cash Cows HALTEN
  • Rising Stars AUSBAUEN
  • Question Marks BEOBACHTEN

Anwendungsbeispiel 2: Partner Recruitment

Partnerrekrutierung ist teuer, aufwändig, dauert lange, braucht Spezialisten und der Erfolg ist verhältnismäßig unsicher. Wachstum durch neue Partner sollte erst dann in Betracht gezogen werden, wenn absolut notwendig.

Ob und in welchem Ausmaß neue Partner benötig werden, ist aus dem Portfolio objektiv abzuleiten:

Nur wenn die Anzahl der Partner in Verbindung mit ihrem Umsatzpotenzial zu gering ist, sollte man ernsthaft eine aktive Rekrutierungskampagne in Erwägung ziehen und die tatsächlich notwendige Anzahl neuer Partner berechnen.

Normstrategie:

  • Partner mit Rising Star-Merkmalen ADRESSIEREN
  • Partner mit Drag Partner-Merkmalen SOFORT AUSSONDERN

Den einen, für das gesamte Unternehmen verbindlichen „Channel-KPI“ einführen

Hier geht es um FREMDE Ressourcen: Welchen Beitrag leisten andere Abteilungen des Unternehmens, bspw. HR, Marketing oder der Vorstand, zum Erfolg des Partnervertriebs?

Um bestmögliche Beiträge sicher zu stellen, empfiehlt sich die Einführung des strategischen Channel-KPI, der für alle Abteilungen identisch und verbindlich ist.

Üblicherweise messen unterschiedliche Abteilungen die Qualität ihrer Leistungen nach eigenen Maßstäben. Die üblichen KPIs für Marketing sind Anzahl Leads, Kosten/Lead, Response Rates auf Mailing-Aktionen oder Teilnahme an Events. Die HR-Abteilung misst ihren Beitrag bspw. an der Anzahl Kandidaten, die vorgestellt wurden.

Diese Vorgehensweise ist bestenfalls nicht aussagefähig, schlechtesten falls schädlich.

Mit der Einführung des KPI „strategisches Partnerportfolio“ können Channel-Verantwortliche ganz subtil diese Silos aufbrechen, den notwendigen Beitrag ganz präzise definieren und den geleisteten Beitrag objektiv bewerten.

Der KPI misst ganz einfach die Entwicklung des Partnerportfolios hinsichtlich seines Umfangs, seiner Zusammensetzung und der Unterstützung des jeweiligen Normstrategien.

Welche Bewertungs- und Steuerungsmöglichkeiten in der Praxis bietet dieser neue KPI?

Anwendungsbeispiel 3: Marketing und Partnerrekrutierung

Marketing wird immer stärker in die Partnerrekrutierung eingebunden. Der Hintergedanke: Marketing ist effizienter als eine „manuelle“ Partnerrekrutierung durch Partner Manager.

Das Entscheidende aber ist die Effektivität. Eine Marketing-Kampagne, die Drag-Partner adressiert oder Question Marks liefert, ist nicht effektiv, sondern Verschwendung von Ressourcen und für den Partnervertrieb schädlich: Leads, die Zeit auf Aufwand kosten und geringes Umsatzpotenzial bieten. Außerdem reduzieren solche Ergebnisse den Wert des Portfolios (Stichwort: Strategic Asset).

Normstrategie:

  • Dem Marketing während der Kampagnen-Planung präzise VORGABEN machen, welche objektiven Kriterien potenzielle Partner bezüglich „Zielumsatzschwelle“ zu erfüllen haben
  • BEWERTUNG des Kampagnenerfolgs durch Einordnung der Leads in das strategische Portfolio – und zwar bevor die Partner Manager ins Closing gehen.
  • Im Konfliktfall den Vorstand als MEDIATOR oder KOORDINATOR einbinden

Anwendungsbeispiel 4: Portfolioentwicklung und HR

In der Zusammenarbeit mit der HR-Abteilung ergeben sich andere Möglichkeiten. Je nachdem, welche Normstrategien im strategischen Portfoli-Management gewählt werden, können die Anforderungen an HR ganz unterschiedlich sein. Beispiele:

  • Neue Mitarbeiter werden doch NICHT benötigt
  • Bestehende Mitarbeiter benötigen ein gezieltes und schnelles Upskilling für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Vorständen der Partner. Stichworte: Business-Expertise und C-Level-Excellence. (siehe Anwendungsbeispiel 1)
  • Bestehende Mitarbeiter müssen gezielt und schnell zu Partner-Recruitern ausgebildet werden (siehe Anwendungsbeispiel 2)

Und zu guter Letzt: die eigene Karriere

Es braucht immer gute Argumente, um den Wunsch nach einem Sprung in der eigenen Karriere zu begründen. Das kann deutlich mehr Gehalt oder eine höhere Position sein.

Anwendungsbeispiel 5: Außergewöhnliche Fähigkeiten

Neben den üblichen Kriterien, wie Umsatzerreichung, Ertragszahlen, neue Partner oder eingestellte Mitarbeiter kann gerade die Demonstration strategisch-konzeptioneller Fähigkeiten (das Portfolio-Management) und Demonstration von applied Leadership (die zielgerichtete Steuerung anderer Abteilungen durch den Channel-KPI) den Unterschied machen.

Beides sind nämlich Eigenschaften, die immer wichtiger werden (und nicht allzu weit verbreitet sind).

Der erste Schritt

Jetzt stellt sich die Frage nach dem ersten Schritt.

Die Antwort ist ganz einfach: Zuerst muss das bestehende Partnerportfolio analysiert und das strategische Partnerportfolio „aufgebaut“ werden.

Ein Wort der Warnung: Das sollte unbedingt durch externe Experten durchgeführt werden. Wenn es die eigenen Partner Manager allein machen, besteht die große Gefahr, dass zu viel „Politik“ Einzug findet und Bewertungen nicht objektiv genug sind.

Und trotzdem lohnt sich die Einführung dieser beiden neuen Regeln sowohl sachlich als auch menschlich. Denn ab dann wird das Partner-Business erfolgreicher und befriedigender.

Über den Autor

Mit seiner über 20-jährigen Erfahrung  als Consultant, Business Coach, Program- oder Shadow-Manager für Vorstände/Geschäftsführer und Channel-Verantwortliche mittelständischer Software-Hersteller ist der Autor ein ausgewiesener Kenner des Channel Business auf strategisch-konzeptioneller und operativer Ebene.

Seine Arbeitsschwerpunkte sind Themen, die entscheidend für den Channel-Erfolg sind, im Tagesgeschäft von Führungskräften oftmals zu kurz kommen.

Vor allem aber beschäftigt sich der Autor mit den Möglichkeiten, durch gezieltes und pragmatisches Game Changing  neue Maßstäbe bei Wachstum, Performance, Management und Leadership zu setzen.

Sie können ihn unter michael@alliance-bliss.com erreichen.