Die Angst des CEO vor der einen Frage

von Michael Nowarra

Sie kommt ganz sicher und wird von Investoren, Aufsichtsräten, Vorstandskollegen, Muttergesellschaften und Mitarbeitern gestellt werden. Sie lautet: „Wie steht es eigentlich um die Zukunftssicherheit unseres Unternehmens?“

Kürzlich erzählte mir der Geschäftsführer eines mittelständischen Software-Herstellers, den ich seit Jahren gut kenne, sein „Erlebnis der besonderen Art“.  Es ging um sein letztes Strategie-Meeting mit seinem Aufsichtsrat. „Es war eine reine Katastrophe!“.

Was war passiert? Der ansonsten handzahme Aufsichtsratsvorsitzende ließ sich auf einmal die Strategie ganz genau erklären. Dann kam es zur erwähnten Katastrophe: Die gesamte Strategie wurde rundherum abgelehnt! Begründung: „Wir wissen doch gar nicht, was mit Covid, Inflation, Rezessionsgefahr (damals war es noch eine Gefahr), der Ukraine-Krise, dem Konflikt zwischen China und Taiwan, Supply Chain-Problemen, der Energiekrise und was sonst noch alles, sein wird! Wir haben keinerlei Vorstellung, wie das Morgen aussieht und Sie bringen uns – als Grundlage Ihrer Strategie – ganz konkrete Annahmen über die Zukunft?!“

Doch nicht genug damit, dass die Strategie abgewiesen wurde. Der Geschäftsführer wurde durch die Reaktion des Aufsichtsratschefs auch noch völlig kalt erwischt! „Die haben mich einfach nach Hause geschickt! Gar nicht gut für meine Position!“

Vermutlich ist diese Geschichte im Moment noch ein Einzelfall. Ich bin mir aber sicher, dass es in Zukunft zu deutlich mehr „Begegnungen der besonderen Art“ kommen wird.

Bevor ich dazu komme, wie man die Frage hätte zeitgemäß beantworten können, beleuchte ich noch kurz zwei dafür wichtige Grundlagen: Da das Business-as-usual endgültig vorbei ist, müssen das Business und einige Management-Prinzipien transformiert werden.

Business Transformation

Das Business unter den Bedingungen von Krisen, permanentem Wandel und Unsicherheit ändert sich grundlegend in mehreren Bereichen:

  • Die vielleicht bedeutendste Änderung betrifft das Thema Strategie: Strategien, die im wesentlichen „Planungen“ sind (das sind fast alle Strategien), werden auf einmal nutzlos. Denn Planung setzt zuverlässige Kenntnisse der Zukunft voraus. Und die sind in diesen Zeiten nicht vorhanden. Konsequenz: Es braucht ein der Situation angemessenes Strategie-Paradigma: Navigation/Flexibilität.
  • Daraus ergeben sich weitere Bereiche, die überdacht und angepasst werden müssen: die neuen Strategic Assets, Erfolgsfaktoren, Prozesse, Management-KPIs, Knowhow / Skills auf allen Ebenen und die Gesetzmäßigkeiten des Business.

Alles muss gleichzeitig und bestmöglich 4 Zielsystemen dienen: Wachstum, Unsicherheit, Ressourcen und Change.

Management Transformation

„Die aktuellen Krisen fordern Führungskräften alles ab. Was Chefs und Cheffinen heute leisten müssen, erfordert einen Bruch mit allem, was sie gelernt haben.“ (Constanze Buchheim, Personalexpertin).

Auch Führungskräfte bleiben von der Transformation nicht verschont. Auch sie müssen neue Paradigmen anwenden:

  • Im Kern geht es um die Bedeutung von Applied Leadership. Jede Führungsposition vereint Leadership- und Management-Aufgaben. In dieser turbulenten und unsicheren Zeit hat applied Leadership deutlich mehr Gewicht als Management.
  • Die Hauptlast liegt auf den Schultern der CEOs, denn nur sie können die Richtung vorgeben und die notwendigen Impulse setzen.
  • Was bedeutet Leadership unter Unsicherheit? Über einige Paradigmen ist sich die Fachwelt weitestgehend einig. Das sind die wichtigsten: proaktives Handeln, lernen anstatt zu wissen, nicht alles richtig machen zu wollen, sondern so wenig Fehler wie möglich zu machen, den „Balkon-Blick“ einzunehmen anstatt auf der „Tanzfläche zu stehen“ und Vertrauen schaffen!

Allein die richtige Richtung vorzugeben ist unter diesen Rahmenbedingungen schon eine schwierige Aufgabe, wenn man selbst nicht genau weiß, wohin es gehen kann oder muss. Sie wird besonders schwierig, wenn der „Mensch CEO“ Gefühle wie Ohnmacht, Kontrollverlust, Verletzlichkeit (zugeben zu müssen, dass man etwas nicht weiß), Angreifbarkeit und Verunsicherung empfindet. Diese emotionalen Zustände sind psychologisch gesehen ganz natürlich: Menschen sind nicht sehr gut im Umgang mit Veränderungen. Sie bevorzugen den Status-quo, denn der bietet ihnen Sicherheit. Und sie haben die Disziplin Unsicherheit nie professionell erlernt.

Die bessere Antwort wäre gewesen

Wenden wir einmal diese Erkenntnisse auf die Beantwortung unserer Ausgangsfrage „Wie steht es eigentlich um die Zukunftssicherheit unseres Unternehmens?“ und unser Beispiel von oben an.

Die besser weil der Situation einzig angemessene Antwort wäre gewesen:

„Ehrlich gesagt wissen wir es nicht. Noch nicht. Wir sind gerade dabei, diese Frage unabhängig, systematisch und pragmatisch prüfen zu lassen.“

Und es hätte niemals zu dieser Situation kommen dürfen. Hier gilt: Proaktives Handeln demonstriert Führungsstärke und schafft Vertrauen.

Aus eigener Erfahrung sind einige Anforderungen an ein derartiges Audit besonders wichtig:

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ (Albert Einstein)

  • Objektivität: Objektivität erreicht man nur durch einen unabhängigen, externen Experten, einen Pragmatiker mit mit konzeptionellen Fähigkeiten und hands-on Erfahrungen im Channel.
  • Pragmatismus: Es kommt nicht auf detaillierte Analyse an, sondern darauf, sich einen ersten, realistischen Überblick zu verschaffen – und zwar durch die Brille eines Mittelständlers.
  • Systematik: Es kommt darauf an, alle Aspekte zu berücksichtigen und ein integriertes Gesamtbild zu zeichnen.
  • Ansatzpunkte: Es kommt darauf an, Ansatzpunkte für schnell wirksame Maßnahmen mit maximaler Hebelwirkung zu identifizieren.

Ich führe solche Audits für das Channel Business durch. Auch wenn ich in meinem Text nicht explizit auf den Channel eingegangen bin, gilt doch alles Geschrieben uneingeschränkt auch hier.

Wenn Sie Interesse an einem derartigen Audit haben, wenden Sie sich einfach per Email an den Autor: michael(at)alliance-bliss(dot)com.