The Art of Partner Recruitment: Den Verlockungen widerstehen!

Von Michael Nowarra

Partnerrekrutierung ist eine wichtige und die schwierigste Säule einer Wachstumsstrategie. Unter den Herstellern gibt es einige, die wesentlich erfolgreicher sind als andere: Obwohl deren Technologie nicht außergewöhnlich und die Budgets vergleichsweise klein sind, können sie in kürzerer Zeit anteilmäßig deutlich mehr Partner gewinnen, die verlässlich und schneller erste Kunden/Projekte bringen und bemerkenswerte Umsätze generieren – alles ohne Prämien, Special Prices, höheren Margen, Lead Generation-Programmen und was den Hersteller sonst noch Geld kostet.

Diese Hersteller beweisen, dass Erfolg im Partner Recruitment allein eine Frage des „WIE“ ist: Wie werden die Partner rekrutiert? Ihr Erfolgsrezept hat nur drei Grundzutaten, die übrigens auf alle Hersteller übertragbar sind:

  1. die Channel-Organisation wird anders geführt,
  2. der Channel basiert auf einem einzigen, einfachen aber höchst wirkungsvollen Design-Prinzip und
  3. Leadership wird jeden Tag demonstriert.

Führung der Channel-Organisation

Der Erfolg bei der Rekrutierung von Partnern beginnt bereits mit der Definition der Aufgabenstellung. Channel-Verantwortliche, die unternehmerisch-strategisch anstatt „vertrieblich“ führen, formulieren die Herausforderung in etwa so:

Die Kunst besteht darin,

  1. mit möglichst wenigen Partnern (Recruitment ist teuer und aufwändig) schnell und verlässlich einen vorher genau definierten Umsatz pro Partner generieren, der über alle neuen Partner genommen die Umsatzvorgabe (plus Puffer) ergibt und
  2. gleichzeitig mit diesen Partnern Umsatzpotenziale für die Zukunft aufbauen, anstatt auf Einmaleffekte oder „Strohfeuer“ zu setzen und
  3. das mit möglichst wenig Kosten und Aufwand.

Das klingt kompliziert. Ist es aber nicht. Man muss nur nach einem anderen Prinzip rekrutieren:

Game Changer „KÖNNEN schlägt WOLLEN – prinzipiell“

Es geht darum, ob Partnerrekrutierung auf dem Prinzip „WOLLEN“ oder dem Prinzip „KÖNNEN“ beruht.

  • WOLLEN: es ist entscheidend, dass der Partnerkandidat eine Partnerschaft will.
  • KÖNNEN: es ist entscheidend, dass der Partnerkandidat die Voraussetzung für ein definiertes Business (Umsatz) erfüllt. Beispielsweise genügend potenzielle Kunden aus Kundenbasis, Zugang zu den Entscheidern, genügend qualifizierte Mitarbeiter in Vertrieb und Beratung/Development, technische Kompetenz und ein attraktives komplementäres Produkt-/Lösungsportfolio.

Ein Beispiel macht das Prinzip deutlich:

Ein Unternehmen leidet unter Fachkräftemangel und will schnellstmöglich Mitarbeiter einstellen. Um Bewerber anzulocken, bedient es sämtliche Kanäle. Mit Erfolg: Es melden sich 30 Bewerber, die alle hochmotiviert sind und am liebsten sofort anfangen wollen.

Sie haben nur ein kleines Defizit: sie können zwar lesen, schreiben und beherrschen die vier Grundrechenarten, sind aber für die freien Stellen nicht wirklich qualifiziert. Sie müssen also erst langwierig ausgebildet werden, was Geld kostet und Ressourcen bindet. Ob aus ihnen dann tatsächlich qualifizierte Mitarbeiter werden und sie ihren Job wie erforderlich erledigen, ist dabei keineswegs sicher.

Auf die Channel-Realität übertragen kann man festhalten, dass Partner, die

  • (nur) WOLLEN, oftmals erst in die Lage versetzt werden müssen, das angestrebte Business zu generieren: Lead Generation, intensiver Sales- und Marketing-Support, spezielle Projektpreise, gemeinsame Kundenveranstaltungen, umfangreiche Schulungen für Vertrieb und Berater/Development usw.,
  • KÖNNEN, einfach nur überzeugt werden müssen. Dazu genügen eine solide Vorarbeit (Qualifizierung der Partner) und Mitarbeiter mit C-Level-Excellence und Business-Knowhow. Zu Veranschaulichung bringe ich im letzten Abschnitt zwei Beispiele aus meiner Projektpraxis.

Es ist nicht schwierig sich auszumalen, welche großen und kleine Auswirkungen beide Szenarien auf die Erreichung der oben definierten Zielsetzung für Wachstum über Partner Recruitment hat.

Der Game Changer in der Praxis

Zwei Beispiele

Wie sieht „überzeugen“ in der Praxis aus? Zwei typische Beispiele aus meiner Praxis:

Anfänglich waren die Vorstände der beiden Partnerunternehmen, die ich unbedingt rekrutieren wollte, ziemlich abweisend, gaben mir dann aber doch die Möglichkeit, meinen Pitch zu machen.

  • Das Gespräch mit dem Vorstand des ersten Partners, das ihn schnell und nachhaltig überzeugte, verlief in etwa so: Der Partnerkandidat verfügt über einen Kundenstamm von ca. 200 kleineren Kunden, die er mit seinem derzeitigen Lösungsangebot nicht mehr adressieren kann. Mit der Partnerschaft hätte er aber das perfekte Produkt dafür und durch eine Vertriebskampagne wäre es ihm nach eigenen Aussagen möglich, binnen kürzester Zeit eine „dicke Pipeline“ von mindestens 50 Kunden mit konkretem Interesse aufzubauen. Der Vertriebsvorstand meinte in dem Meeting sogar, dass er aus dem Stand bereits 6 Bestandskunden kenne, von denen er weiß, dass sie im Moment eine derartige Lösung suchen. Die konkrete Berechnung des Business Case tat ihr übriges.
  • Bei dem zweiten Partnerkandidaten war die Ausgangssituation identisch: wenig bis kein Interesse. Meine Recherche im Vorfeld hatte ergeben, dass der Vorstand unbedingt mit eigenen Lösungen strategisch wachsen wollte. Ich schlug dem Vorstand also vor, anstatt Lizenzen zu vertreiben eine Outsourcing-Dienstleistung rund um das betreffende Produkt aufzubauen. Das traf genau den „strategischen Nerv“, war äußerst lukrativ für den Partner, gab den Kunden die Möglichkeit, eine wichtige, aber nervtötende Aufgabe endlich loszuwerden und bindet sie daher quasi auf ewig an den Partner. Der Endkunde musste selbstredend innerhalb des Dienstleistungspakets Lizenzen erwerben (mein Teil des Kuchens).

Binnen weniger Tage waren die Vereinbarungen unterzeichnet und wurden ohne Verzögerung umgesetzt.

KÖNNEN in der Praxis

Zurück zum Game Changer: Recruitment nach dem Prinzip KÖNNEN unterscheidet sich in einigen Aspekten deutlich vom Recruitment nach dem Prinzip WOLLEN.  Die Umstellung von WOLLEN auf KÖNNEN ist aber recht einfach und geht schnell. Für alle Aspekte existieren bereits praxiserprobte Prozesse, Tools, Strategien, Inhalte, KPIs und Coaching-Programme für Channel-Verantwortliche und deren Mitarbeiter. Es steht sogar eine komplette, integrierte Recruitment-Infrastruktur zur Verfügung.

Vor allem aber gibt es die richtigen Methoden und Rechenmodelle zur exakten Bestimmung der Voraussetzungen für KÖNNEN.

Applied Leadership

Die wahre Herausforderung ist eine andere: als Führungskraft

  • der tagtäglichen Verlockung des einfachen Recruitment zu widerstehen,
  • Mitarbeiter, Vorgesetzte und Kollegen auf den richtigen Pfad zu führen und
  • sie tagtäglich bei der Stange zu halten.

Keine zu unterschätzende Aufgabe, denn wer diesen Weg geht, exponiert sich, setzt sich anfangs Fragen und kritischen Blicken aus und ist immer wieder gezwungen, zu Mitarbeitern und Partnerkandidaten NEIN zu sagen. Am Ende des Tages werden die Zahlen aber beweisen, dass das Prinzip KÖNNEN überlegen ist. Die Partner werden es durch Taten bestätigen! Nicht zu vergessen: Der Mut, sich als Führungskraft wird belohnt: Profilierung im eigenen Unternehmen und Sichtbarkeit beim Wettbewerb!

Die Überschrift könnte daher auch lauten: „Wie schafft man leicht seine Zahlen und gewinnt gleichzeitig mächtige Freunde?“

Über den Autor

Mit seiner über 25-jährigen Erfahrung als Consultant, persönlicher Sidekick und Program Manager für Vorstände/Geschäftsführer mittelständischer Software-Hersteller ist der Autor ein ausgewiesener Kenner des Channel Business auf strategisch-konzeptioneller und operativer Ebene.

In seiner Arbeit geht es immer um den „Entfesselten Channel“: eine Channel-Organisation, die sich von selbstverordneten Wachstumsbeschränkungen, falschen Denkweisen und wenig wirksamen Handlungsmustern befreit – angestoßen und begleitet von CEOs, die entschlossen sind, als „Game Changer“ sicht- und spürbare Akzente und ganz neue Maßstäbe hinsichtlich strategischem und operativem Umsatz- und Profitwachstum zu setzen.

Seine Arbeit beruht auf den in den vielen Projekten gewonnenen Erkenntnissen über das wahre Wesen des Channels und die verschiedensten Stellschrauben für eine signifikante, nachhaltige Performance-Steigerung.

Sie können ihn unter michael@alliance-bliss.com erreichen.