Vergesst es einfach, dieses „wie üblich“!

Vergesst alles, was ihr über Best Practice oder Business as usual wisst! Die Zeiten haben sich geändert. Was früher üblicherweise gut funktionierte, führt heute (und in Zukunft!) höchstwahrscheinlich schnurstracks in die Wüste anstatt in den Garten Eden. Insbesondere bei jungen Technologie-Unternehmen. Das zeigt die Geschichte von Christoph (der Name ist geändert, die Geschichte aber wahr und aktuell).

Christoph ist Gründer und CEO eines jungen Technologie-Unternehmens. Mit bewundernswertem Engagement hat er innerhalb eines Jahres über 600 mal potenzielle Kunden angesprochen. Die daraus entstandenen 80 „konkreten Opportunities“  haben nicht nur ihn, sondern das halbe Unternehmen beschäftigt: noch mehr Emails, Dokumente verschicken, Test-Accounts anlegen und verwalteten, Fragen beantworten, Anregungen aufnehmen, Telefonate führen und Video-Konferenzen abhalten. Wofür das alles? Für eine Handvoll kleiner Projekte!

Was passierte dann mit Christoph, wieso passierte das alles und vor allem: wie hätte er es vermeiden können?

Die Wüste ruft!

Was Christoph dann erleben musste, droht laut jüngsten empirischen Untersuchungen sehr vielen jungen Technologie-Unternehmen: zu wenig Kunden, kaum Umsätze, keine echte Wachstumsperspektive, konstant hohe Kosten (für Personal), viel Zeit verloren. Konsequenz: das Geld geht aus, Unruhe im Management-Team, Mitarbeiter beginnen das Unternehmen zu verlassen und Investoren verabschieden sich mental schon einmal.

Selbst wenn er „wie üblich“ seine Anstrengungen verdoppelt hätte, hätte das den Untergang nur beschleunigt aber nicht abgewendet. Er wäre nur schneller tiefer in die Wüste gelangt.

Um es gleich zu sagen: Es lag nicht am Produkt! Es lag auch nicht an einer zu geringen Nachfrage! Auch nicht am Wettbewerb! Es lag an etwas ganz anderem:

Wie üblich

Wie üblich hatte Christoph seine Lösung an die IT vermarktet. Da gehörte sie ja eigentlich auch hin. Wie üblich hatte Christoph den Anspruch, seine Lösung unternehmensweit als Standard beim Kunden einzusetzen. Und wie üblich hatte er alles daran gesetzt, die IT dazu zu bringen, eine technische Evaluierung durchzuführen – die dann zwangsläufig zum Roll-out führen müsste. Wie üblich.

Leider ist er in eine ganz typische Falle gelaufen: 

  1. Die IT hatte, wie die meisten IT-Abteilungen, derartig viel mit den Problemen des Tagesgeschäfts zu kämpfen, dass sie weder Zeit noch Budgets noch Mitarbeiter zur Verfügung stellen konnte, um sich angemessen mit Christophs Lösung zu beschäftigen. Und was er vollständig missachtete: die IT war eigentlich sein größter (interner), sein taürlicher Wettbewerber! Neben den anderen 40 externen Wettbewerbern, die ebenfalls die IT angingen.
  2. Bei einer verschwindend kleinen Anzahl seiner Zielunternehmen stand überhaupt eine Grundsatzentscheidung über seine Art von Lösung an. Der überwältigende Rest war einfach mit sich oder mit anderen Themen beschäftigt. Seine Lösung ganz oben auf die Agenda zu setzen scheiterte regelmäßig.
  3. Seine Ansprechpartner in der IT sind naturgemäß neugierig auf alles Neue, besonders dann, wenn es so innovativ (fast schon revolutionär!) war, wie Christophs Lösung. Was er als „seriöse“ Produktevaluierung interpretierte, war eigentlich nichts anderes als das Ausleben eines ganz natürlichen Spieltriebs. Es war Psychologie, nicht Business.

Er hätte die meisten seiner Probleme und deren Ursachen vermeiden können, wenn er etwas „unüblich“, ein bisschen wie ein Business-Guerilla, gedacht und gehandelt hätte.

Wie unüblich – wie ein Business Guerilla eben

Die Falle, in die er gelaufen ist, ist vermeidbar. Empirische Studien (nicht allzu bekannt, aber dennoch aussagefähig), bestätigt durch meine eigenen Erfahrungen, liefern ein einfaches Rezept, wie man neue Technologien schnell, wirksam, mit wenig Aufwand und zuverlässig vermarkten kann. Und zwar für jedes Unternehmen. Hier eine kleine Inspiration:

Guerilla-Gesetz #1: Schnell und anpassungsfähig sein.

Anstatt ein ganzes Jahr zu verschwenden, wäre es besser gewesen, regelmäßig die Vorgehensweise kritisch zu hinterfragen und ASAP die Notbremse zu ziehen. Fail fast!

Guerilla-Gesetz #2: Vermeide die direkte Konfrontation mit dem Wettbewerb.

Anstatt an die IT zu verkaufen, wäre es erfahrungsgemäß besser gewesen, den CIO oder die Fachabteilungen mit einer Business Value Proposition anzugehen. Dort war nämlich kein externer Wettbewerber zu finden – und der interne Wettbewerber, die IT-Abteilung – lag sowieso wegen geringer Performance unter Dauerbeschuss.

Guerilla-Gesetz #3: Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auskommen.

Anstatt wahllos (sinnlose) Evaluierung zu unterstützen wäre es besser gewesen, vorher nach dem Grund (Spieltrieb oder Business/Grundsatzentscheidung) zu fragen. Spieltrieb „ablehnen“ / „automatisieren“ und Business „intensiv begleiten“ hätte mit Sicherheit 3/4 des Aufwands gespart. Hier ist der Kunden einmal NICHT der König, sondern die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Ende der Diskussion!

Guerilla-Gesetz #4: Für den Wettbewerb nur schwer kalkulierbar sein.

Der Ansprache des CIO mit einer Business Value Proposition kann der Wettbewerb nur schwer etwas entgegen setzen, denn diese argumentieren üblicherweise „technologisch“, mit Functions & Features, anstatt mit dem Business Impact, den eine Lösung für das gesamte Unternehmen hat. Und welche Meriten sich der CIO verdienen kann.

Guerilla-Gesetz #5: Auf viele kleine Erfolge abzielen.

Anstatt auf die flächendeckenden Roll-outs zu spekulieren, wäre es besser gewesen, viele kleine Projekte bei vielen Unternehmen zu platzieren. Das nennt man Seeding-Strategie.

Guerilla-Gesetz #6: Selbst mit kleinsten Maßnahmen einen strategischen Plan verfolgen.

Jedes dieser kleinen Fachabteilungs- oder CIO-Projekte stellt ein Einfallstor für die erhoffte Grundsatzentscheidung dar. Nämlich dann, wenn der Business Impact bewiesen ist und die Fachabteilungen/der CIO aus gutem Grund eine Grundsatzentscheidung der IT-Abteilung fordert.

Guerilla-Gesetz #7: Sich der Hilfe Anderer versichern.

Das entscheidende Momentum für die Grundsatzentscheidung liefert der Kunde selber.

Guerilla-Gesetz #8: Kreativ und mutig sein.

Im Gegensatz zu einer kostenlosen „technischen Evaluierung“ lassen sich solche Business-Pilot-Projekte verkaufen. Jede Fachabteilung, jeder CIO stellt gerne Budgets zur Verfügung, wenn der Nutzen groß genug zu sein verspricht und der Hersteller bereit ist, darauf zu „wetten“. 

Wenn ihr mehr darüber wissen wollt, wie so ein Business-Pilot-Projekt aussieht, wie es funktioniert und ob es für eure Lösung geeignet ist, könnt ihr euch gerne bei mir melden (michael@alliance-bliss.com).

Seid kreativ und mutig! Ihr habt es ja schon einmal bewiesen.

Beste Grüße,

Michael

Über den Autor: Michael Nowarra ist seit über 30 Jahren in der Software-Branche tätig, davon fast 20 Jahre als Unternehmer und Berater. Er ist auf Strategic Business Development, Channel und „Smart Money“ spezialisiert und zwar maßgeschneidert auf die besonderen Herausforderungen junger Technologie-Unternehmen (Startups/Scaleups). Sein Credo: „Denken und handeln wie ein Business Guerilla“.

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