Die Gretchenfrage

In all meinen Recruitment- oder Beratungsprojekten kommt ziemlich schnell folgende Frage: wer ist denn eigentlich der Wettbewerb?

Die Antworten, find die ich bekomme, sind oft alles andere als hilfreich. Entweder sind es die üblichen Verdächtigen oder die Firme „keiner“. Egal wie die Antwort auch lautet, der Ansatzpunkt ist immer derselbe: vergleichbare Technologie in der eigenen Zielgruppe. Also CRM-Hersteller, ERP-Hersteller, BI-Hersteller etc.

Bei der Anzahl der Wettbewerber kann man mit schönster Regelmäßigkeit sehen, wie Märkte so speziell definiert werden, dass es kaum mehr Wettbewerb geben kann. Die Realität spricht aber eine ganz andere Sprache!

Die richtige Perspektive wählen: Investitionen

Einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für den (Markt-)Erfolg einer Partnerschaft sind die Aktivitäten, die der Partner unternimmt, um das Produkt des Herstellers zu promoten, zu vertreiben, zu implementieren und zu betreuen. Ausser vielleicht im Waffen- oder Rauschgiftgeschäft gilt der eherne Grundsatz: Erfolg kommt nicht von allein, mann muss Aktivitäten zeigen.

Wenn wir Aktivität einmal mit Investition gleichsetzen (Investitionen in Geld, Mitarbeiter, Geduld, Vertrauen, Zeit, Aufmerksamkeitsspanne des Managements, Handlungen, Ausbildung, Know-how, Kundenkontakte), gilt folgende Gleichung:

Erfolg = F(Investitionen)

Damit lohnt es sich, den Wettbewerb einmal von einer ganz anderen Warte aus betrachten:

Wettbewerb ist alles, was frei verfügbare Investitionen bzw. die entsprechenden Ressourcen in Anspruch nimmt oder nehmen kann.

Es spielt also keine Rolle mehr, ob es eine vergleichbare Technologie ist. Es kann alles sein. Auch der Bau eines neuen Gebäudes. Aber machen wir es uns nicht so schwer. Reduzieren wir den gesamten Ressourcen in Anspruch nehmenden Wettbewerb auf die Gruppe der Software-Produkte. Wie groß ist dann noch der Wettbewerb, dem der Hersteller beim Partner ausgesetzt ist? Gering? Weit gefehlt!

Der Wettbewerb beim Partner ist riesig!

Ich habe mir einen typischen weil etablierten Software-Bereich – ECM – angeschaut. Es könnte sich aber genauso gut um jedes andere etablierte Horizontal handeln. Analysiert habe ich 30 im Markt etablierte Partnerunternehmen mittlerer Größe. Betrachtet wurde die Anzahl der Partnerschaften mit Software-Herstellern unterschiedlichster Art.

Die Ergebnisse:

  • im Durchschnitt hatte jedes Partnerunternehmen 12 Software-Hersteller als so genannte Technologie-Partner.

Viel interessanter war allerdings die Mengenverteilung:

  • mehr als 50% der Partner hatte zwischen 10 und 30 Hersteller-Partner!
  • über 80% der Partner hatten zwischen 4 und 30 Partner!

Würde man jetzt noch alle anderen Umstände, die die Aufmerksamkeit des Managements, die Vertriebsmitarbeiter, die Consultants, die Marketing-Budgets etc. in Anspruch nehmen, hinzurechnen, würde das Bild ziemlich düster werden.

Was kann man tun?

Aus meiner Projekterfahrung heraus kann ich immer wieder nur eines sagen:

  • das Wichtigste ist, diesen Sachverhalt in die Köpfe der eigenen Mitarbeiter zu bekommen;
  • zweitwichtigster Schritt ist die Überprüfung der tatsächlichen Wettbewerbslandschaft in eigenen Channel;
  • drittwichtigster Schritt ist es, den Kampf um die Ressourcen/Investitionen zur „Channel Mission“ schlechthin zu machen und entsprechend mit der Geschäftsführung der Partner zu kommunizieren („es geht mir um Ihre Ressourcen“) und zu handeln (da wo sinnvoll, explizit Ressourcen schonen: Entscheidungsfindung, Abwicklung. Da wo notwendig, explizit Ressourcen fordern: Vertrieb, Marketing, Mitarbeiter, Ausbildung).

Übrigens: vor einigen Jahren haben wir in einem Kundenprojekt herausgefunden, dass die Evaulierung einer Partnerschaft durch die Geschäftsführung, ohne die echte technische Evaluierung, durchschnittlich ca. 45 Manager-MannTage in Anspruch nahm! Eine Verschwendung von Ressourcen! Wie das ankam ist leicht zu erahnen!

Kennen Ihre Partner Account Manager übrigens die eigenen KPI?

Viel Erfolg im neuen Jahr und hoffentlich bis bald mal

Ihr Michael Nowarra